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Bequemer produzieren – durch mobile Projektionen in der industriellen Fertigung

(Lemgo, 09.11.2015) Nicht nur industrielle Produktionsanlagen, auch die Mitarbeiter müssen in der Fabrik der Zukunft flexibel und anpassungsfähig sein. Eine unterstützende Schlüsseltechnologie dafür ist Augmented Reality, die computergestützte Erweiterung der Realität. Doch Cyberbrillen sind quasi „von gestern“ – mobile Projektionen versprechen nun deutlich mehr Fortschritt. Forscher am Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) der Hochschule OWL und am Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation (IOSB-INA) entwickelten dafür gemeinsam in Lemgo eine Technologie, die mehr Effizienz und zugleich mehr Komfort für den Anwender verspricht: die projektionsbasierte Augmented-Reality-Umgebung.

Ein 3D-Modell mit der Montageanleitung wird auf den Handarbeitsplatz projiziert und leitet den Mitarbeiter Schritt-für-Schritt durch die Montage.

Die projektionsbasierte AR-Umgebung wird am wandlungsfähigen Montagesystem der SmartFactoryOWL getestet.

Produktlebenszyklen werden kürzer, Losgrößen kleiner und Kundenwünsche anspruchsvoller: Die Anforderungen an die Industrie sind seit Beginn der Vierten Industriellen Revolution stark gewachsen. Sogenannte Augmented Reality (AR)-Techniken sind ein fester Bestandteil bei Industrie 4.0 underlauben es, in der hochautomatisierten und komplexen Arbeitswelt, Arbeitsbedingungen zu verbessern. So werden bereits jetzt Datenbrillen genutzt, die beispielsweise Montageanleitungen mit Handlungsanweisungen Schritt-für-Schritt in das Sichtfeld des Mechanikers einblenden.

 

Für Professor Dr. Dr. Carsten Röcker, Vorstandsmitglied am inIT, liegen die Vorteile dieser Technologien in den „kurzen Anlernzeiten und der Fehlerreduktion“. Insgesamt können so (auch ungelernte) Mitarbeiter in der Produktion umfangreichere und komplexere Aufgaben ausführen. Vermehrt werden auch mobile Handgeräte wie Tablets genutzt, die den Mitarbeiter intuitiv durch den Produktionsprozess führen. Am inIT und IOSB-INA geht man bereits einen Schritt weiter: Digitale Informationen werden an einem Handarbeitsplatz direkt mit der Realität überlagert, in Form einer Projektion.

 

Obwohl Datenbrillen und mobile Handgeräte erfolgsversprechend die Fehlerrate im Produktionsprozess senken können und mehr Effizienz in kurzen Produktlebenszyklen und kleineren Losgrößen versprechen, sind sie doch mit einem großen Nachteil verbunden: Sie sind unpraktisch. Die Datenbrille ist hinderlich für Mitarbeiter, die eine Sehhilfe tragen müssen, Tablets müssen während der Produktion umständlich in der Hand gehalten werden und behindern so die Montage von Produkten.

 

Die Forscher am inIT und IOSB-INA entwickelten daher eine Lösung, die dem Bediener einer Anlage mehr Komfort bieten soll: die projektionsbasierte AR-Umgebung. Sie haben diese Lösung in einem ersten praxistauglichen Demonstrator umgesetzt, der in ein wandlungsfähiges Montagesystem integriert wurde. Professor Carsten Röcker erklärt dazu: „Unser Ziel ist es, die vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen, die uns AR-Techniken bieten, zugleich aber auch den beteiligten Mitarbeitern den größtmöglichen Komfort an ihren Arbeitsplätzen zu ermöglichen.“ Geht es nach den Lemgoer Forschern, führt der Weg hierbei zur kompletten Verschmelzung der realen und digitalen Welt.

 

Durch die projektionsbasierte AR-Umgebung konnten die Lemgoer Wissenschaftler eine Methode entwickeln, die den Mitarbeiter effizient und sicher durch den Montageprozess an einem Handarbeitsplatz leitet und dabei gänzlich ohne Hilfsmittel wie Datenbrille, Tablet und Co. auskommt. Alle relevanten Informationen, die der Monteur benötigt, werden direkt auf seinen Arbeitsplatz projiziert. Durch die Kombination von einem leistungsstarken Projektor und einer Software ist es möglich, den Mitarbeiter durch den Montagevorgang zu leiten.

 

Soll der Monteur beispielsweise ein Produkt aus mehreren Einzelteilen zusammenbauen, hilft ihm die projektionsbasierte AR-Umgebung in einem ersten Schritt dabei, das richtige Bauteil auszuwählen. Zu montierende Einzelteile werden virtuell bzw. farblich markiert und zeigen dem Mitarbeiter so an, welches Teil er jeweils greifen soll. „Pick-by-Vision“ oder „Pick-by-Light“ heißt dieser Ansatz in der Fachsprache. In einem zweiten Schritt wird ein 3D-Modell auf einer Fläche am Handarbeitsplatz eingeblendet, das dem Monteur zeigt, wie und wo das ausgewählte Bauteil passgerecht zu montieren ist.

 

Schon jetzt zeigt sich, wie erfolgsversprechend dieser Ansatz ist. Im Vergleich zu AR-Methoden mit Datenbrillen oder Tablets werde die Projektion als wesentlich benutzerfreundlicher und komfortabler bewertet, so Röcker. Bisher war es beispielsweise aus ergonomischer Sicht kaum möglich, die Datenbrille über mehrere Stunden ununterbrochen zu tragen. Auch die Akkulaufzeiten der Datenbrillen ließen zu wünschen übrig. Probleme, die die Projektion geschickt umgeht. Professor Röcker ist sich sicher: „Wir sind überzeugt, dass die Projektion einen hohen Stellenwert in der Produktion von morgen einnehmen wird. Sobald Projektoren kleiner und beweglicher werden, sind die Einsatzmöglichkeiten quasi unbegrenzt – die intelligente Produktion wird noch ein Stück weit intelligenter.“

 

So sind die Forscher am inIT und Fraunhofer-Anwendungszentrum in Lemgo bereits dabei, mit Hilfe der Projektion Lösungsansätze zu entwickeln, die den Monteur ganzheitlich und latenzfrei durch den Montageprozess leiten. Ein Orts- bzw. Maschinenwechsel sollen keine Hindernisse mehr darstellen, vielmehr soll die Projektion den Monteur begleiten, wenn er sich von einem zum nächsten Arbeitsplatz bewegt.

 

Auch die Diagnose von Maschinen könnte durch mobile Projektion schon bald erleichtert werden. Mit Hilfe von mobilen projektionsbasierten Geräten könnten Mitarbeiter in naher Zukunft virtuell „einen Blick in die Maschinen werfen“, um Informationen zur Auslastung oder möglichen Problemen abzurufen. Die Einsatzmöglichkeiten der Projektion in der Industrie sind vielfältig und werden in der weiteren Gestaltung der Fabrik der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. „Wir versprechen uns zeitnah erste Einsätze in der Industrie“, resümiert Röcker zuversichtlich.